(Juni 2014)

Fristlose Kündigung:
Kann auch vor der Gebrauchsüberlassung schon gekündigt werden?



Der Fall:
Vermietet werden Räume für 15 Jahre zum Betrieb eines Hostels. Die Vermieterin will knapp 13 Millionen Euro bis zur Bezugsreife investieren. Im Mietvertrag verpflichtet sich die Mieterin unter anderem, sämtliches Mobiliar und Inventar auf eigene Kosten zu beschaffen und während der Mietzeit instand zu halten bzw. durch neues zu ersetzen. Sie soll dem Vermieter spätestens 4 Wochen vor Eröffnung eine Inventarliste übergeben und nachweisen, dass dieses einen Gesamtwert von mindestens 600.000,00€ netto hat. Die Parteien regeln ferner, dass die Mieterin das Recht hat, die Sicherheitsleistung in Höhe von 600.000,00€ dadurchzu erbringen, dass sie das eingebrachte Inventar der Vermieterin sicherungsübereignet.

Nach Vertragsschluss, aber noch vor Übergabe, teilt die Mieterin mit, eines ihrer Schwesterunternehmen habe erhebliche Liquiditätsschwierigkeiten, was auch auf die Mieterin abstrahle und zur Insolvenz des gesamten Firmenverbundes führen könne. Nachdem das Schwesterunternehmen tatsächlich Insolvenz anmeldet, erklärt die Mieterin, dass sie das Inventar nicht kaufen, sondern mieten wolle. Daraufhin verlangt die Vermieterin Auskunft, wie die Mieterin ihren künftigen Zahlungspflichten nachkommen wolle. Als die Mieterin hierauf nicht antwortet, kündigt die Vermieterin fristlos und übergibt das Mietobjekt nicht. Die Mieterin klagt auf Schadensersatz.

Hintergrund:
Regelmäßig beginnen die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien erst mit Übergabe des Mietobjekts (z. B. Mietzahlung, Instandhaltungspflichten usw.). Mitunter vereinbaren die Parteien aber auch Pflichten, die schon zuvor erfüllt werden müssen, wie z. B. Baumaßnahmen des Vermieters, Kautionszahlung usw. Verstößt eine Partei noch vor Übergabe erheblich gegen ihre Vertragspflichten, so stellt sich die Frage, ob der Vermieter schon zu diesem frühen Zeitpunkt kündigen darf. Nach herrschender Ansicht wird das bejaht:

Rechtsprechung: BGH,21.3.2007–XII ZR 255/04–Info M 2007, 175 (Engel);
OLG München,6.10.1995–21 U 6746/94 – NJWE-MietR 96, 127;
OLG Düsseldorf, 12.1.1995 – 10 U 36/94–NJW - RR 95, 1100.

Literatur: Palandt - Weidenkaff, BGB, 72. Aufl. 2013, § 543 Rdn.9;
Wolff/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet -, Pacht - und Leasingrechts, 10. Aufl. 2009, Rdn. 919.

Die Entscheidung:
Das Kammergericht weist die Schadensersatzklage ab, denn die fristlose Kündigung der Vermieterin sei wirksam. Im Mietvertrag sei eindeutig vereinbart, dass die Mieterin für mindestens 600.000,00€ eigenes Mobiliar und Inventar zu erwerben und einzubringen habe. Im Hinblick auf die eigenen Investitionen der Vermieterin in Höhe von fast 13 Millionen habe diese ein schutzwürdiges Interessedaran, über hohe Sicherheiten zu verfügen. Bringe die Mieterin keine eigenen Werte – sondern gemietetes Inventar – ein, laufe das Vermieterpfandrecht leer.

Zudem fehle der Vermieterin damit die vereinbarte Mietsicherheit. Denn aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage der Mieterin sei klar, dass diese nicht in der Lage sei, die Mietsicherheit auf andere Weise zu erbringen. Die Vermieterin sei daher berechtigt gewesen, die Mieterin zur Vorlage eines Finanzierungsplans aufzufordern. Nachdem die Mieterin auch dieser Forderung nicht nachkam, sei die Vermieterin zur fristlosen Kündigung berechtigt, da ihr ein Festhalten am langfristig bindenden Mietvertrag nicht mehr zumutbar sei.

Das Kammergericht weist ausdrücklich darauf hin, dass es der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegenstehe, dass der Mieterin der Gebrauch noch nicht überlassen sei. Dabei verzichtet das Gericht auf eine eigene Begründung und beschränkt sich darauf, auf die o.a. Kommentierung und Rechtsprechung Bezug zu nehmen.